Projektvorschlag

Projektvorschlag

  1. Januar 2017

Noch bevor ich sie selber genau zu benennen wusste, versuchte ich in einem ersten Projektvorschlag meine Ausgangslage, Motivation und Ziele meiner Arbeit in einem Projektvorschlag zu erörtern.

 

Abstract

Hinter dem Titel „Selbermachen Lassen“ versteckt sich eine Widersprüchlichkeit, die seine absolute Form verunmöglicht da sich, dazu nötige, Sicherheit und Freiheit gegenseitig ausschliessen. Ein Weg unvoreingenommenes und dennoch erfolgreiches Selbermachen mit möglichst wenig Vorgabe zu veranlassen, sehe ich im selbstständigen Erlernen dazu nötiger Fähigkeiten. Unter Anderem sind spielerisches Entdecken, sukzessives Entwickeln und das Erkennen eigener Handlungsmacht Kernelemente, welche „Selbermachen Lassen“ können. Mit einem offenen System und einer vielseitig wahrnehmbaren Aufgabenstellung möchte Möglichkeit und Notwendigkeit erschaffen, welche die Fähigkeit selberzumachen erleben und erlernen lassen.

Ausgangslage und Relevanz

Dinge selberzumachen, begeistert und befriedigt nicht nur mich persönlich – das Aufkommen von Maker-Bewegungen spricht ebenso für den Wert des Selbermachens wie der anhaltende Erfolg von IKEA-Möbeln und Legobausteinen. Der gegebene Titel lässt eine Vielfalt an Interpretationen zu, deren unterschiedliche Facetten meine Thesis anhand von sechs Eckpunkten beleuchtet. Je nach Sichtweise scheinen dabei ökonomische Motive (auf Seiten des Kunden oder Designers), der Wunsch nach eigenem Ausdruck und Verwirklichung oder auch jener nach selbstgemachtem Erlebnis, das zu sein, was Menschen selbermachen lässt. Übergreifende – wenn auch desillusionierende – Erkenntnis ist aber, dass keine Gestalt des „Selbermachen Lassens“ die absolute Form erreichen kann, welche mich selber in den euphorischen Schaffensprozess versetzt, der mich zur Wahl des Titels trieb. Grund dafür ist, dass jedes „Lassen“, welches ein „Selbermachen“ impliziert, dessen Eigentlichkeit schmälert; wenn mich ein Design zur Tat veranlasst, ist es nicht mehr gänzlich mein eigenes Schaffen sondern ursprünglich jenes des Designer und verliert damit seinen originalen Wert.

Nichtsdestotrotz gibt es zwei Argumente, welche die Perspektiven des scheinbar paradoxen „Selbermachen Lassen“ aufhellen: Einerseits ist die Freude des Selbermachens nicht auf seine absolute Form beschränkt – auch im teilweisen Vollenden vorgegebener Ausgangslagen können Spielräume liegen, welche Freiheit für eigenes Schaffen und damit verbundene Befriedigung ermöglichen. Anderseits kann das, was zu wirklich eigenständigem Selbermachen veranlasst und befähigt, teils erlernt werden. Auch ich – der regelmässig in den Genuss wirklichen Selbermachens kommt – wurde nicht einfach als „glücklicher Selbermacher“ geboren. Der Trieb Probleme und Chancen zu entdecken, spielerisches Entwickeln, die Fähigkeit neue Lösungen zu schaffen sowie Glaube und Freude an der eigenen Handlungsmacht sind Dinge, die wir durch eigene Erfahrung erlernen können. Diesem selbstständige Lernen widmet sich meine Projektarbeit. Verdichtet gesagt: Ich möchte Freude und Fähigkeit des Selbermachens, selbermachen lassen.

Zielsetzung & Beispiele

Ziel ist ein offenes System, innerhalb dessen Besucher selbstständig, mit möglichst geringer Vorgabe eigene Lösungen entwickeln. Ein System dass Not doch auch Möglichkeit schafft, das Selbermachen als wertvolle eigene Fähigkeit zu erkennen. Sie sollen dabei jene Denkweise erleben und erlernen welche selbermachen lässt.

Auch wenn die finale Form noch nicht definiert ist, so möchte ich gewisse Leitlinien und Kriterien im Vorherein festlegen. Das angestrebte offene System sollte:

  • Einfache Regeln haben.
  • Grosse Komplexität ermöglichen.
  • Eine Zielrichtung aber keinen Endpunkt oder Weg dorthin vorgeben.
  • Fehler provozieren die zu neuen Erkenntnissen führen.
  • Regeln und Begrenzungen der Kinetik nutzen
  • Minimal nötige Sicherheit und maximal mögliche Freiheit abwägen:

Die Besucher sollen dabei:

  • Selbstständig Regeln und Möglichkeiten des Systems entdecken.
  • Spass am spielerischen Entwickeln, eigener Lösungen erleben.
  • In jedem Fall gewissen Erfolg aber freie Möglichkeiten haben.
  • Keine Angst haben etwas „falsch“ zu machen.
  • Sukzessive optimieren aber nicht perfektionieren.
  • Freude an der eigenen Fähigkeit und Handlungsmacht erleben.

Der finale Prototyp soll:

  • Funktionieren und die Ausstellung überleben.
  • Ohne Erklärung oder Gebrauchsanleitung auskommen.
  • Die BA-Bewertungskriterien erfüllen.
  • Mich selber begeistern!

Trotz dieser Kriterien sind die möglichen Umsetzungsvarianten vielfältig, weshalb ich hier drei Beispiele solcher Systeme nennen möchte:

„Cuboino“ (Felix Heibeck)

Interaktive Erweiterung einer modularen Kugelbahn, die eine Zielrichtung aber keinen Weg vorgibt und damit zu spielerischem Erproben, Lernen und Erweitern einlädt. Sie erlaubt dabei Vielfalt, Komplexität und Fehler aus denen gelernt werden kann.

„Sei-Borg“ (S. Gloor, A. Rivas, R. Ammann J. Wirthner, 2016)

Ein Simulator der den freien Bau abstrakter Wesen mit einer Vielzahl „unmöglicher“ Körpergelenke erlaubt. Die Bewegung eigener Gelenke wird auf jene der virtuellen Wesen übertragen, neue Formen von Körperbauten und Fortbewegung dabei entdeckt.

Evolutionäre Entwicklungsprozesse (Unbekannt, ca. 13,82 Mrd. v. Chr.[1])

Mit relativ simplen Regeln, vorgegebener Zielrichtung (Überleben) aber ohne finale/perfekte Lösung oder Zutun eines „intelligenten Designers“ hat sich die Tier- und Pflanzenwelt selbstständig in unglaublicher Vielfalt entwickelt. Dieses Beispiel ist weit vom Machbaren entfernt, wiederspiegelt aber viele Prozesse die ich – innerhalb der Grenzen des Systems – idealerweise in Gang bringen möchte.

Vorgehen & Zeitplan

Grosser Teil der Projektarbeit wird sein, verschiedene Ansätze eines offenen Systems in Hinblick auf die genannten Kriterien zu entwickeln und zu testen. Besonders wichtig erscheint es mir, auch Faszination und Entdeckungsfreude im alltäglichen „Selbermachen“ – ausserhalb meines Systems – weiter zu ergründen. Was bringt mich dazu überall neue Affordanzen zu entdecken und was Motiviert mich dazu diese kurzerhand anzuwenden? Möglicherweise werde ich auch weitere Recherche und in Form von Selbstbeobachtung und Interviews betreiben müssen, um genauer herauszufinden, was mich und Mitstudenten ähnlicher Gesinnung zum Selbermachen bringt.

Mir ist durchaus Bewusst, dass die angestrebten Ziele – insbesondere das höhere Ziel andere durch Erleben meines Prototypen Selbermachen zu Lassen – nur in beschränktem Grad erreichbar ist. Ich erhoffe mir deshalb auch keinen unmittelbaren, totalen Sinneswandel von Besuchern. Kleine Erfolgserlebnisse, Erstaunen, Entzücken und kurzweiliges Abschweifen in die Gedankenwelt eines Selbermachenden scheinen mir aber durchaus realistisch und erstrebenswert.

03.-21. Februar

Freie Exploration, Experimente, Sammeln von Inspiration und Schaffenskraft in der „Ruhe vor dem Sturm“. Besuch im Technorama.

  1. Februar – 02. März

Breite Konzeption, Vision und rapid Prototyping verschiedener Ansätze.

  1. – 05. März

Inspiration und Kräfte für den Schlussprint tanken in den Bergen.

  1. – 10. März

Analyse und Diskussion bisheriger Ansätze, Ideation, Richtungswahl.

Prozessdokumentation und Rechtfertigung (Mentoring?)

11.-20. März

Zweite Iteration, Vertiefung und Ausarbeitung eines definitiven Konzepts. Evtl. Bau und Test eines Prototypen. Dokumentation bisheriger Arbeit.

21.-30. März

Verfeinerung, Idealisierung und Visualisierung des finalen Prototyps und seiner Kontextualisierung in der Ausstellung. Verfeinerte Planung der Umsetzung sowie Dokumentation.

01.-20. April

Umsetzen, Testen und anpassen des finalen Prototyps. Voraussichtlich Erlenen dazu nötiger Skills und Beschaffung von Ressourcen. Dokumentation.

  1. April – 11. Mai

Schlusssprint und letzter Schliff, Umsetzung des Ausstellungskonzepts.

  1. Mai – 06. Juni

Finale Umsetzung von Dokumentation, Thesis, Video und Ausstellung.

 

 

Quellen Projektvorschlag

Esser, Werner „Pädagogik ‚ad personam‘
Ein Paradigma schulischer Begabtenförderung“ in: Aufbruch in die Zukunft Erfolgreiche Entwicklungen von Schlüsselkompetenzen in Schulen und Hochschulen, Volker Heyse, Waxmann Verlag GmbH, 2014, S. 116-135.

Cheney N., MacCurdy R., Clune J., Lipson H., «Unshackling evolution: evolving soft robots with multiple materials and a powerful generative encoding», Proceedings of the 2015 Annual Conference on Genetic and Evolutionary, Columbia University, 2015.

Glanville, Ranulph, „Lernen ist Interaktion“ über Pask Gordons „An Approach to Cybernetics“ (1961) in: Schlüsselwerke der Systemtheorie, herausgegeben von Dirk Baecker, Springer VS, Wiesbaden 2016,

  1. 35-50.

Malik, Fredmund, «Systemisches Management, Evolution, Selbstorganisation: Grundprobleme, Funktionsmechanismen und Lösungsansätze für komplexe Systeme», Haupt, Bern, 2009.

 

Jonassen, David„Activity Theory as a Framework of Designing Constructivist Learning Environments“ in: Educational Technology Research and Development, Vol. 47, 1999.

Ulrich, Wolfgang, „Konsum der Kreativität“ in: POP Kultur und Kritik, Nr.8, Frühling 2016.

Heibeck Felix, „cuboino – Digitally extending Analog Games“ (19.01.2017). http://f3-h.de/projects/cuboino/.

Gloor Simon, Amman Raphael, Rivas André, Wirthner Jon, „Sei-Borg“ (19.01.2017). https://www.youtube.com/watch?v=6oRLy79ylZY.

[1] http://www.zeit.de/wissen/2013-03/Erkenntnisse-Weltraumteleskop-Planck